1 Einleitung
Während Sportliche Aktivität mit zahlreichen positiven physischen, psychischen und sozialen Effekten assoziiert wird, steht Sport und primär das Sport treiben auch für das Risiko von Verletzungen. Unabhängig von Alter und Leistungsniveau können Sportler:innen Verletzungen der Weichteile, Knochen, Sehnen, Bändern und Nerven erleiden. Diese Verletzungen entstehen entweder durch ein direktes Trauma oder durch aufeinanderfolgende kleine Überlastungen, die sich erst später in einer Verletzung charakterisieren. Die Anfälligkeit verschiedener Individuen und die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung bei einer bestimmten Sportart ist bedingt durch Alter, Geschlecht und Aktivitätstyp sowie Leistungsniveau (Mafulli et al., 2011). Die nachfolgende Arbeit bezieht sich vor allem auf den Bereich der Sportverletzungen und vernachlässigt den Bereich ähnlicher oder gleicher Verletzungen, die nicht als Sportverletzungen definiert werden. Dazu ist es zu Beginn dieser Arbeit wichtig zu erläutern, welche Verletzungen sich überhaupt als Sportverletzungen erkennen und deuten lassen. Da eine bisher einheitliche Definition nicht vorliegt, lassen sich bestimmte genaue epidemiologische Daten im Längsschnitt noch nicht einordnen. In der Literatur wird bei einer Sportverletzung meist von Beschwerden, die während eines sportlichen Trainings oder Wettkampfes auftreten, ausgegangen. Ergänzend dazu wird diese als solche erfasst, wenn ihr zufolge ein Trainings-oder Wettkampfausfall folgt und/oder eine medizinische Behandlung notwendig ist (Fuller et al., 2007). Aufgrund des Konfliktes, dass man nicht genau definieren kann in welcher Phase die Verletzung als beendet erfasst werden kann oder, dass bestimmte Schmerzmuster als Folge einer früheren Verletzung zwar zur Leistungsminderung, aber nicht zur Sportabsenz führen, findet man unterschiedliche Verletzungsraten zu diversen Verletzungen. Eine Orientierung bietet die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG), welche seit 2016 jedes Jahr versucht das Verletzungsgeschehen im Profisport zu analysieren. Die häufigsten Verletzungen betrafen im Basketball und Handball das Sprunggelenk, im Fußball die Muskeln des hinteren Oberschenkels und im Eishockey den Kopf. Bei allen Sportarten wurde ebenfalls eine erhöhte Verletzungsrate im Knie erkannt mit dem Unterschied, dass die Folge dieser Verletzungen eine vergleichsweise besonders hohe Ausfallzeit war. In Deutschland gibt es jährlich rund 1,9 Millionen Knieverletzungen. Das sind fast 14% aller Verletzungen, bei denen ein Arzt aufgesucht wird. Damit lässt sich sagen, dass das Knie einen besonderen Stellenwert in der Medizin und wie aus dem Gesundheitsreport der VBG auch im Leistungssport hat. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird zuerst knapp die Anatomie und Physiologie dieses Körperteils zusammengefasst und anschließend sollen Verletzungen und Rehaprozesse einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes näher erläutert werden. Abschließend ist zu erwähnen, dass diese Arbeit nicht ausführlich genug ist, um einen vollen Überblick über das Thema zu erlangen. Diese Arbeit soll nur einen kleinen Überblick über das Knie und dessen häufigstes Verletzungsmuster sowie Rehabilitation und Prävention geben und die Leser:innen dazu anregen, zusätzliche Literatur hinzuzuziehen.
2 Anatomie und Physiologie des Knies
Das Kniegelenk lässt sich in der Literatur als Dreh-Gleit Gelenk (+Rotation in Beugung) beschreiben. So sitzt zwischen Femur und Tibia/Fibula sowie hinter der Patella ein Gelenk mit zwei Gelenkanteilen, die eine gemeinsame Gelenkkapsel haben. Die Stellen, an denen die Knochen aufeinandertreffen (artikulierende Flächen) sind mit einem Gelenkknorpel überzogen, der die Gleitfähigkeit gewährleisten soll. Ebenfalls wird die Stabilität und eine geringere Verletzungsanfälligkeit durch den Innen- und Außenmeniskus gewährleistet. Diese lassen sich als zwei halbmondartige (C-förmig) Knorpelscheiben inmitten des Gelenkspaltes beschreiben. Neben der “Stoßdämpfer”- Funktion, durch eine Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen Tibia und Femur, soll vor allem der Innenmeniskus, der mit dem hinteren Anteil des Innenbandes verwachsen ist, für eine geringere Beweglichkeit bei Beugung und Streckung sorgen und damit schlussfolgernd das Risiko einer Verletzung senken. Um das Knie in der lateralen Bewegungsebene stabilisieren zu können, laufen jeweils ein Innen-und ein Außenband (Syn. Kollateralbänder/Seitenbänder) vom Femur zum Femur/Tibia-Kopf. Das Innenband ist fest mit der Gelenkkapsel und dem Innenmeniskus verwachsen. Da die Seitenbänder bei einer Kniestreckung vollständig gespannt und in Beugung lockerer sind, ist eine Innen-und Außenrotation ausschließlich in Beugestellung zu einem geringen Maß möglich. Um die Stabilität des Kniegelenks in allen anderen Ebenen bestmöglich abzusichern, sind Anteile der beiden Kreuzbänder in fast allen Stellungen gespannt. So soll vor allem bei einer Flexion das vordere Kreuzband ein Herausgleiten der Femurkondylen nach hinten verhindern. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird das vordere Kreuzband, welches von oben-hinten nach unten-vorn verläuft, als ACL benannt. Das Hintere Kreuzband läuft von oben-vorn nach unten-hinten, ist deutlich seltener von Verletzungen betroffen und wird als PCL beschrieben.
Das Kniegelenk ist außerhalb vom Sport bereits im Alltag hohen Belastungen ausgesetzt. Neben der statischen Dauerbelastung, die mit dem Tragen des Körpergewichts einhergeht, muss es ihm Alltag zum Beispiel beim Treppensteigen oder beim Sport das fünf bis siebenfache des Körpergewichtstragen. Ebenfalls bedingt durch die Anatomie der Beinachse entstehen allgemein durch hohe Hebelarmeffekte große Kraftwirkungen auf das Knie. Vor allem in Sportarten mit Sprüngen-und schnellen Richtungswechseln ist das Knie enorm hohen Lasten ausgesetzt. So kann es bei einem Richtungswechsel eines Tennisspielers dazukommen, dass über das Zehnfache des eigenen Körpergewichts auf einem Kniegelenk lastet. Dieser Fakt lässt eine besondere Beanspruchung und damit einhergehend häufige Verletzungen herleiten.
2.1 Verletzung des Knies und Anamnese
Im nachfolgenden Teil soll sich diese Arbeit vor allem auf Sportverletzungen beziehen. Die häufigsten sportbedingten Knieverletzungen sind: Kreuzbandverletzung (meist ACL), Meniskusverletzungen, Knorpelschäden und Kniescheibenluxation, Patellaspitzensyndrom. Bei einem Makrotrauma kommt es häufig vor, dass mehrere Strukturen gleichzeitig verletzt werden. Verletzungen des Knies kommen vor allem in biomechanischen Mustern vor, in denen in kurzer Zeit hohe Kräfte wirken. Beispiele dafür sind diverse Richtungswechsel, starke Stoß-, Beuge-, oder Rotationsbewegungen sowie Abstoppbewegungen. Dabei unterscheidet man im Sport in Verletzungen, die mit oder ohne Gegnerkontakt zustande gekommen sind. Wenn ein Handballer beispielsweise auf dem Fuß des Gegenspielers landet und dadurch die Verletzung zustande kommt, spricht man von einer Verletzung mit Gegnerkontakt. Bei Frauen kommen Verletzungen des ACL wesentlich häufiger vor als bei Männern. Auch der Zusammenhang zwischen dem weiblichen Zyklus und ACL- Verletzungen bedarf weiterer Forschung.
Kommt es infolge einer der beiden Bewegungsmuster zu einem Makrotrauma oder bestehen nicht (zu einem Geschehnis) zuordnungsbare Schmerzen, sollte ein Sportmediziner/eine Sportmedizinerin aufgesucht werden. Im ersten Schritt der Anamnese erfolgt eine Beschreibung der Beschwerden sowie anschließend eine detaillierte Beschreibung des Unfallmechanismus ́. Ebenfalls sollte an dieser Stelle die Verletzungshistorie abgefragt werden. Im zweiten Schritt folgen die Inspektion und Palpation. Das heißt, die Wunde/Verletzung wird optisch und taktil untersucht (Fehlstellung, Beinachse, Rötung, Schwellung, Gangbild etc.). Im dritten Schritt testen die Sportmediziner:innen die passive Beweglichkeit. Dafür gibt es je nach Verletzungsbild verschiedene Tests, um Menisken, Patella und andere Strukturen zu untersuchen. Um die Kreuzbänder nach einer Auffälligkeit zu untersuchen, eignet sich meist der sogenannte Schubladentest. In der Literatur ist ebenfalls der Lachman-Test aufgeführt. Anschließend sollten weitergehende Untersuchungen erfolgen. Je nach Verdacht eignen sich beim Knie Röntgen-, MRT- oder CT-Untersuchungen, um eindeutige Ergebnisse herbeizuführen. Anschließend erfolgt, im besten Falle unter Bezugnahme mehrere Sportmediziner:innen/ Radiolo:innen, eine Diagnose. Mit dieser Diagnose sollten Patienten dann eine direkte Überweisung an Sportphysiotherapeut:innen erhalten, die sich im weiteren Verlauf mit der Rehabilitation der Verletzung beschäftigen.
3 Prävention im Überblick
Bevor in der Arbeit die Rehabilitation näher beschrieben werden soll, gilt es zuerst das Thema der Prävention anzuschneiden. Diese Reihenfolge ist bewusst gewählt, um die Relevanz von präventiven Maßnahmen zu verdeutlichen, sodass das Risiko einer Knieverletzung bestmöglich abgesenkt wird. Der Begriff Verletzungsprävention bezieht sich auf die Reduktion von Verletzungsraten auf der Populationsebene. Auf Ebene des Individuums kann zwar das Risikoprofil zum Positiven verändert werden, allerdings kann keine zukünftige Verletzung verhindert werden, deren Auftreten nicht vorhersehbar und gesichert ist (Begiebing 2023). Da verschiedene präventive Inhalte, wie exakte Übungen, Trainingsinhalte, Lebensstilveränderungen oder auch Schutzkleidung sehr spezifisch und individuell sein können und die Beschreibung dieser das Ausmaß dieser Arbeit bei weitem sprengen würden, sollen nachfolgend zwei Modelle vorgestellt werden, die einen Überblick zur Einordnung der Verletzungsprävention geben. Um beim Beispiel der Knieverletzungen zu sein, lassen sich verschiedene Beinachsentests heranziehen. Aber auch der FMS (Functional Movement Screening) wird zum Teil in Zusammenhang mit Knieverletzungen gestellt. Um ein weiteres Beispiel zu nennen, lässt sich vor allem eine ausgeprägte Beinkraft (vorderer und hinterer Oberschenkel) sowie eine möglichst minimale Seitenabweichung und geschulte Landequalitäten (Propriorezeptives Training) als präventive Maßnahmen für Knieverletzungen nennen. Um zu verstehen, inwiefern eine Prävention stattfinden kann lässt sich das Modell von van Mechelen, Hlobil & Kemper (1992) heranziehen. Die Autoren beschreiben 4 Schritte, durch die Verletzungsprävention geschehen kann:
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Erfassung des Ausmaßes der Sportverletzungproblematik anhand der epidemiologischen Datenlage einschließlich Inzidenz und Schwere der Verletzungen
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ErmittlungderVerletzungsursachenund-Mechanismen
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Einführung präventiver Maßnahmen basierend auf den aus zwei Schritt
erhaltenen Informationen
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Evaluation der Effektivität der Maßnahmen durch Wiederholung des ersten
Schritts.
Ergänzend zu diesem Modell lassen sich Präventionsmaßnahmen gut in die von Haddon (1980) entwickelte Unfallpräventionsmatrix eingliedern. Diese umfasst Pre-Crash Maßnahmen (1). Dabei ist zum Beispiel die Veränderung individueller Risikofaktoren, wie psychischer Stress oder unzureichender Kraft zu nennen. Aber auch Maßnahmen in Umwelt, wie zum Beispiel das Einführen bestimmter Zweikampfregeln im Training oder passende Schutzkleidung fallen unter diesen ersten Punkt. Bei Crash Maßnahmen (2) geht es um präventive Maßnahmen, die die Sportler:innen während potenziell gefährlicher Situationen nutzen können. Beispiele dafür sind das Sicherstellen eines ausreichenden Trainingszustandes (vgl. Monitoring durch BORG Skala) oder bestimmte Falltechniken, wie auch äußere Sicherheitsgeräte (Netze, Matten, Ausrüstung). Im dritten Punkt, den Post Crash Maßnahmen (3), geht darum, die Schäden nach einer Verletzung und das Risiko einer Wiederverletzung nach bestem Wissen zu vermindern. Während präventiv vorgesorgt werden kann, indem zum Beispiel Erste Hilfe Ausrüstung vorhanden ist, spricht man hier hauptsächlich von einer gut strukturierten Sportrehabilitation.
4 Sportrehabilitation
Die Rehabilitation sollte im Optimalfall von einem Team aus verschiedenen Experten durchgeführt werden. Ein Reha-Team im Leistungssport setzt sich zusammen aus Arzt/Ärztin, Physiotherapeut:in, Athletiktrainer:in, Ernährungswissenschaftler:in und Sportpsycholog:in. Es ist leider in den meisten Fällen nicht möglich, dass jeweilige Experten sich vollständig um den Rehaprozess eines einzelnen Breitensportlers kümmern können. Dennoch soll die nachfolgende Erläuterung für die einzelnen Personen verschiedene Schwerpunkte im Rehabilitationsprozess verdeutlichen, sodass im besten Fall auch der oder die Behandelnde mehrere Aufgaben in Personalunion vereinen kann. Für Leistungszentren kann dieses Teamsetting jedoch auch Schwierigkeiten bedeuten, denn es erfordert ein sehr hohes Maß an korrekter Kommunikation. So müssen zum Beispiel dauerhafte Protokolle mit Bewertungen und Empfehlungen weitergereicht werden, sodass alle Indikatoren und Kontraindikationen beachtet werden.
Der Prozess der Wiedereingliederung nach einer Verletzung umfasst zuerst die Heilung des verletzten Gewebes und die Vorbereitung dieses Gewebes auf die Wiederaufnahme der Funktion. So soll anschließend erst der sogenannte Return to training, also die Wiedereingliederung ins sportartspezifische Training und darauffolgend die Return to competition stattfinden. Der zeitliche Ablauf in den einzelnen Abschnitten der Gewebeheilung und des gesamten Rehaprozesses (sowie der Wirksamkeit der Reize) wird von einer Vielzahl systematischer und lokaler Faktoren beeinflusst. Darunter Alter, Lebensstil, Grad der Verletzung, Geschlecht etc.
Dieser komplexe Prozess, der mehrere Phasen beinhaltet, lässt sich als Erklärung für den Vorteil mehrerer Experten aufführen. So leitet zum Beispiel der oder die Mediziner:in die Anamnese und führt regelmäßige Kontrollen durch, während die aktive und der Großteil der Zusammenarbeit durch die Physiotherapeut:innen erfolgt. Wenn die Sportler:innen wieder soweit vorangeschritten sind, dass erste spezifische Bewegungsmuster der Sportart möglich sind, sollte der Athletiktrainer:innen die Reha und die Eingliederung in das Teamtraining mitbegleiten. Ebenfalls ist es Aufgabe des Athletiktrainers, während der Rehabilitation nicht verletzte Strukturen weiterhin auszubilden. So sollte zum Beispiel bei einer Kreuzbandverletzung ein großer Fokus auf das Training des Oberkörpers-und des Cores gelegt werden. Da Verletzungen häufig nur eine Struktur betreffen, gibt es keinen Grund den Rest nicht zu belasten. Dies beinhaltet Kraft-und Ausdauertraining.
Durch die Bewegungsreduktion nach einer Verletzung erfolgt meistens eine Atrophie. Um jene zu vermeiden und den Rehaverlauf zu optimieren, gilt es jene Atrophie so gering wie möglich zu halten. Auch das Krafttraining der ipsilateralen (nicht verletzten) Extremität erhöht die Maximalkraft und verringert durch den sogenannten Crossover Effekt das Atrophie Ausmaß der kontralateralen Seite (Hendy et al. 2012 / Lepley & Palmieri Smith 2014). Dieser Transfereffekt hat sich am sinnvollsten mit Hypertrophie Training und hohem Volumen sowie langer exzentrischer Phase gezeigt (Cirer-Sastre et al. 2017). Ebenfalls kann ein Okklusionstraining während des Trainings der belastenden Struktur benutzt werden, um weitere Atrophieeffekte zu vermeiden. Dabei kann mit Bändern oder Manschetten mit ca. 230 mmHg Druck erzeugt werden ( Martin-Hernandez 2013). Und auch das Ausdauertraining fällt primär in den Aufgabenbereich der Athletiktrainer:innen. So sollten Programme gewählt werden, die zum einen die Grundlagenausdauer auf einem möglichst gleichbleibenden Niveau halten, als auch jene, bei denen die Belastungsintervalle der Sportart bestmöglich rekonstruiert werden.
Viele dieser Themen benötigen an dieser Stelle weiterreichende Erläuterungen, weswegen diese nur kurz genannt wurden. Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf physiologisch- konditionelle Fähigkeiten sagen, dass nach einer Verletzung vor allem die neuromuskuläre Kontrolle, die Beweglichkeit und die Kraft beeinträchtigt sind. Ebenfalls entsteht meistens eine Dysbalance, die das Risiko einer Wiederverletzung erhöht und somit bestmöglich vermieden werden sollte.
Neben diesen Grundlagen im Bereich des aktiven Bewegungsapparates zeigt die Literatur jedoch vor allem signifikante Effekte einer erfolgreichen Reha in Bezug auf psychologische Interventionen und den Lebensstil der Athlet:innen. So konnten Ferreira et al. (2013) als auch Fuentes et al. (2014) feststellen, dass die Interaktion zwischen Therapeut und Athlet am wichtigsten in der Reha ist, unabhängig von Inhalten. Des Weiteren ist die subjektive Erwartungshaltung wichtig für den Ausgang. Wenn ein Athlet überzeugt ist von den Interventionen und der Qualifikation der Therapeut:innen, ist die Reha im Schnitt erfolgreicher (Cormier et al. 2016). Neben dem Vertrauen, dass die Athlet:innen zu den Therapeut:innen haben sollten, ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wichtig. Wenn die Sportler:innen angeben, noch kein vollständiges Vertrauen in den eigenen Körper zu haben, ist das Risiko einer Wiederverletzung signifikant höher. Daher ist während der gesamten Reha das Abfragen und der offene Austausch über den subjektiven Zustand wichtig (Ivarsson 2017).
Abschließend sollte das Team die Athlet:innen ganzheitlich betrachten und über Ernährung, Schlaf und Regeneration im Sinne der Rehabilitation aufklären (Hall et al. 2010). Denn eine schlechte Ernährung verstärkt den Entzündungsprozess und ist nicht förderlich (Acton 2013) und eine zu geringe Schlafqualität erhöht das Risiko einer Wiederverletzung (Milewski et al. 2014). Und auch der Alltag und das Privatleben der Athlet:innen gilt es für einen optimalen Rehaerfolg zu betrachten. Ein hohes chronisches Stresslevel erhöht die Schmerzwahrnehmung und kann die Regeneration der Gewebestrukturen um bis zu 60% verlangsamen (Jennings et al. 2014).
4.1 Reha bei Kreuzbandverletzungen
An dieser Stelle wäre eine Diskussion angebracht, inwiefern eine VKB-Ruptur konservativ oder operativ behandelt werden kann. Die Studienergebnisse zeigen insgesamt keine Überlegenheit einer operativen Versorgung gegenüber einer konservativen (Saueressig et
al. 2022). Dennoch wird für die meisten aktiven jungen Sportler:innen eine operative Versorgung empfohlen (Diermeier et al., 2020). Die aktuell hohen Raten an Arthrose, Meniskusschäden und gescheiterten Return to competition Versuchen unabhängig von der Versorgungs Methode führen ein deutliches Defizit in Wissenschaft und Praxis auf. So lässt sich in Bezug auf spezifische Rehabilitationen von spezifischen Verletzungen bei unterschiedlichen Individuen sagen, dass es vermehrt darum geht, Fehler zu vermeiden, um einen potenziell größeren Erfolg zu erreichen. In der Literatur gibt es dennoch verschiedene Protokolle (vgl. Melbourne ACL Rehabilitation Guide 2.0), die sich bisher als häufig erfolgreich gezeigt haben. Im Anhang ist ein aus verschiedenen Empfehlungen zusammengeschriebener Leitfaden entwickelt worden, an dem sich bei den THW Kiel Junioren orientiert wird. Zusammenfassend gilt es dabei die psychologischen und Lebensstilbetreffenden angesprochenen Aspekte in der Reha zu beachten. Darüber hinaus sollten Ziele die Wiederherstellung der Kniefunktion, wie ROM und Kraft sein. Dysbalancen sollten vermieden werden und eine ausreichende dynamische Kniestabilität, die auch bei schlechter mechanischer Stabilität (Laxität) bestehen kann (Thoma et al., 2019). In vielen Leistungszentren erfolgt bereits ein Pre-Injury Screening, um im Falle einer Verletzung diverse Ziele vorgegeben zu haben, an denen sich später orientiert werden kann.
Grobskalierung Rehaplan Ruptur vorderes Kreuzband (eigene Darstellung)
Jede Trainingseinheit sollte errechnet werden, um die ACWR zu berechnen
1. Phase 8-12Wochen
Beinhaltet Inflammatorische Phase und dann fibroproliferative Phase
Ziele: Erhalt der vollen ROM, Abwesenheit von Schmerz und Schwellung, Kraftsteigerung der entsprechenden Muskelgruppen, zumeist in offener kinematischen Kette, Unilateral Sensomotorik und Propriozeption, Problemlose Durchführbarkeit von ADL am Ende der Phase!
Reha Edukation: Schmerz weg nicht gleich wieder fit
Beispielübungen und Programmdesign: Viele sensomotorische Übungen auf verschiedenen Untergründen und unter diversen Drucksituationen mit dem Ziel durchgängig die Kontrolle der Beinachse beizubehalten, Sprungformen wenn überhaupt nur Landung, lokale muskelversagen vermeiden und Bewegungsqualität stets im Vordergrund behalten, 2-3 RIR, langes exzentrisches Tempo, stationäres Ausdauertraining
Kriterien für Eintritt in nächste Phase: Qualitative Bewegungsqualität, Zwei bis drei Übungen regelmäßig aus verschiedenen Ebenen filmen, Bspw. einbeinige Absteiger langsam, Erhöhung der Kraftfähigkeit im Beinstrecker, Keine Schwellung und kein Schmerz mehr, Sicher und technisch korrekte Durchführung aller Übungen
2. Phase 12-18 Wochen
Beinhaltet Fibroproliferative und Remodellierungsphase
Ziele: schmerzfreie tiefe Kniebeuge, intensives Krafttraining mit Kraftdefizit im Quadriceps minimieren, Lauftechnik wiederherstellen und optimieren
Beispielübungen für Programmdesign: Beidbeinige Landeformen, Propriozeptive Übungen auf spezifischen Untergrund, Zum ende der Phase kontrollierte Richtungswechsel, Plyometrie mit zunächst verminderter exzentrik in der Landung, 1-2 RIR, Wiederholungen minimieren, Intensität erhöhen, Langsam Fokus auf konzentrik verschieben, Lasten roundabout 80% 1 RM, Ab Woche 13 ungefähr wieder lockeres Joggen auf Laufband
Kriterien für Eintritt in nächste Phase: Kein Seitendifizit sollte mehr erkennen sein bei einbeinigen dynamischen und Kraftübungen, Joggen symptomfrei, Hinzunahme eines Isokinetik sinnvoll um Kraftdefizit zu quantifizieren, Kein Seitendifizt (Bspw. im Y- Balance Test), Mindestens 80% der Kraftfähigkeit der pre-Injury Tests
3. Phase 18-26 Wochen
Remodellierungsphase primär, wieder nah an Sportart bringen
Ziele: Kraftdefizit weniger als 10% im Seitenvergleich, Sprungtest weniger als 10% im
Seitenvergleich, Beginn mit sportartspezifisches Training
Beispielübungen für Programmdesign: Fokus jetzt auf unilaterale Sprungformen in allen Bewegungsrichtungen, Klassische Propriozeptive Übungen nicht mehr isoliert sondern in spezifischen Bewegungsformen, Bei Richtungswechsel und lineare maximale Sprints intensität erhöhen,
IK Training mit 85% 1RM, 1 RIR, 0 RIR, Ausdauertraining Multidirektional, Herzfrequenz 120-140
4. Phase Return to Training ab Woche 26
Erfassung verschiedener Sprungtests und Test der Maximalkraft, sportartspezifische
Training soll symptomfrei ablaufen, vollständiger Wiedereintritt in Trainingsalltag, Training unter Vorermüdung um Athlet auf auf alle Szenarien vorzubereiten, Krafttraining ermüdung reduzieren um Doppelbelastung mit Sportart training nicht zu hoch zu halten
Return to Competition Leitfaden: Trainingsalltag ohne Schwellung und Schmerz
Kraft und Sprung Defizit weniger als 5 % im Seitenvergleich min. 95% der Pre Injury Screening Werte
Psychisch keine Angst und Zweifel mehr
Durchführung individueller Aktivierung vorm Training Optimalerweise eine eigene Vorbereitung